Am 28. November 2024 wird „Unter uns“ 30 Jahre alt. Das besondere Schillerallee-Jubiläum feiern RTL und UFA Serial Drama mit einer Highlight-Sendewoche vom 25. bis 29.11.2024 (und bereits je 7 Tage zuvor auf RTL+). Produzent Guido Reinhardt (UFA Serial Drama), der seit Beginn dabei ist, verrät im Interview mit RTL mehr.
Künstliche Intelligenz beim „Unter uns“-Jubiläum
Für den Jubiläums-Plot nutzte die Produktionsfirma UFA Serial Drama auch KI-Technologien des ukrainischen Softwareunternehmens Respeecher, das u. a. bereits bei der Serie „Neue Geschichten vom Pumuckl“ 2023 dem rothaarigen Kobold die Stimme des verstorbenen Schauspielers Hans Clarin zurückgegeben hat. Wie genau die Technologie zum Einsatz kam, weshalb man sich dafür entschied und welche Hürden man diesbezüglich überwinden musste, erklärt Produzent Guido Reinhardt im Interview.
30 Jahre „Unter uns“, 30 Jahre Serien-Innovation. Die RTL-Daily hat sich nicht nur mit Blick auf ihre Geschichten verändert, sondern war auch in produktioneller Hinsicht schon immer ein Vorreiter, beispielsweise hinsichtlich der Technik. Was sind diesbezüglich die größten Veränderungen/ Errungenschaften? Was war früher undenkbar aus technischer Sicht? Was ist heute Realität?
Guido Reinhardt: Angefangen hat es in der „Unter uns“-Produktion vor 30 Jahren mit mehreren 1-10KW-Scheinwerfern, davon bis zu 20 Stück pro Deko, da hatte ein Set wie beispielsweise die Dach-WG schnell einen Stromverbrauch von 40KW/h – das ist aus heutiger Sicht mit dem Einsatz moderner LED-Leuchten unvorstellbar. Auch die Aufnahme mit drei Kameras auf MAZ und von einem Bildmischpult vorgeschnitten – wie bei einer Live-Übertragung – ist ebenfalls mit dem heutigen technischen Setup nicht mehr zu vergleichen. Und so gibt es noch unzählige weitere Beispiele, was sich im technischen Know-how der Produktion verändert hat. Vieles hat die Prozesse beschleunigt, manches verleitet aber auch dazu, nachlässiger in der Präzision der Arbeit vor und hinter der Kamera zu werden mit dem Gedanken, dass alle Fehler einfach zu korrigieren seien. Daher bemühen wir uns trotz des technischen Fortschritts darum, den Fokus und die Professionalität in unserer Arbeit niemals zu verlieren. Und ich finde, das gelingt uns seit 30 Jahren sehr gut.
Bereits im Rahmen des „Unter uns“-Weihnachtsfilms 2023 setzte man auf KI-Technologie. Diese kommt nun auch wieder im Jubiläums-Handlungsstrang zum Einsatz. Wie verlief die Planungsphase von der Idee bis zur Umsetzung?
Guido Reinhardt: Der jetzige Einsatz entstand einzig und allein aus der Idee, die ikonische Figur der Serie – Margot Weigel – ihrer Urenkelin im Traum erscheinen zu lassen. Dies mit einem Auftrag: Wir wollten ihr Vermächtnis erzählen. Daraus resultierte eine Zeitreise, bei der wir die junge Margot an wichtigen Stationen ihres Lebens in den späten 50er Jahren begleiten. All in all, für eine Daily mit einem täglich hohen Drehpensum ist das ohne den Einsatz von KI nicht leistbar, weshalb wir uns wieder dieser Tools bedient haben, um unsere Geschichte erzählen zu können.
Wie wird Künstliche Intelligenz in der Produktion von „Unter uns“ eingesetzt, und welche neuen Möglichkeiten eröffnet sie?
Guido Reinhardt: Das Autorenteam nutzt bereits spezielle für die Serie programmierte Chatbots für die Ideen und Figurenentwicklung. Visuelle Effekte und Hintergründe werden angereichert oder ergänzt durch Programme wie u. a. Adobe Firefly. In der Postproduktion kommen im Schnitt und in der Vertonung ebenfalls bestimmte KI-Tools zum Einsatz.
Wie kann künstliche Intelligenz die Film- und Serien-Branche nachhaltig verbessern?
Guido Reinhardt: Ob und wie KI etwas verbessern wird, werden wir sehen und auch erleben. Zunächst beschleunigt es bestimmte Workflows und ermöglicht größere kreative Möglichkeiten für geringere Aufwände. Es wird zu großen preislichen und ggf. qualitativen Unterschieden zwischen Manufaktur und industrieller Fertigung kommen. Das müssen wir berücksichtigen.
In Bezug auf den Inhalt der Jubiläumsfolgen: Schillerallee-Urgestein Margot Weigel wird mithilfe von Künstlicher Intelligenz zum Leben erweckt. Was für technische Abläufe stecken hinter so einer virtuellen Wiedergeburt?
Guido Reinhardt: Angefangen von der Idee bis zur Umsetzung braucht es sehr klare Regeln für die Besetzung, Maske und Kostüm, sowie für die Inszenierung. Gestik, Sprechgeschwindigkeit und Körpersprache der Schauspielerin, die die Rolle übernimmt, müssen mit dem Original übereinstimmen und natürlich muss eine Einwilligung in diese Transformation vorliegen. Dadurch schafft man Vorrausetzungen für die KI, die für Visualisierung und Vertonung notwendig sind.
Christiane Maybach, die jahrelang als Margot Weigel vor der Kamera stand, starb im April 2006. Ihr Andenken wird nun mithilfe der KI gewahrt, sie wird wieder ein Teil der Schillerallee. Wie ist hier die Rechtslage?
Guido Reinhardt: Hier waren zwei Dinge ausschlaggebend, neben der Tatsache, dass wir nicht Christiane Maybach, sondern die Kunstfigur Margot Weigel wieder kurzeitig in die Serie geholt haben: Christiane Maybach wollte nicht aufhören zu drehen, sondern am liebsten noch viele Jahre diese besondere Figur verkörpern. Ihre persönliche Leidensgeschichte hat sie letztendlich daran gehindert. Sie hatte keinerlei Verwandte oder Angehörige zum Zeitpunkt ihres Todes, die wir befragen konnten. Somit haben wir anlässlich des Jubiläums ihrer Serie ihren letzten Willen umgesetzt: Sie niemals zu vergessen! Daher erhält sie ebenfalls posthum eine Gage für diese Szenen, die wir an eine Forschungseinrichtung spenden, die sich mit den Folgen ihrer Erkrankung beschäftigt.
Könnte KI in Zukunft dazu führen, dass bestimmte Rollen oder Szenen komplett digital erzeugt werden?
Guido Reinhardt: Das passiert bereits jetzt in der Werbung oder im Bereich von Influencer-Marketing bis hin zu Blockbuster-Filmen: KI ist in der Medienbranche längst angekommen.
Wie verändert sich das Zuschauererlebnis durch den Einsatz von KI in der Serie?
Guido Reinhardt: Das werden die Zuschauenden uns vermitteln, im besten Fall wird es keine zu sehr das Seherlebnis beeinflussende Rolle spielen. Voraussetzung für den Einsatz von KI ist jedoch immer, dass es nicht für manipulative Zwecke missbraucht, sondern kenntlich gemacht wird. Nicht nur in unserer Serie, sondern allgemein bei der Nutzung durch künstliche Intelligenz.
Welche ethischen Fragen werden durch die Integration von KI in der Serienproduktion aufgeworfen, insbesondere im Hinblick auf Kreativität, Originalität und auch Persönlichkeitsrechte?
Guido Reinhardt: Alle zuvor genannten Schlagwörter brauchen eine sehr genaue, und im Hinblick auf die ethischen, aber auch rechtlichen Belange, präzise Definition und somit eine Rechtssicherheit.
Gibt es Bedenken oder Herausforderungen im Zusammenhang mit der Nutzung von KI in einer etablierten Serie wie „Unter uns“?
Guido Reinhardt: Die Bedenken werden bedingt durch die ethischen und rechtlichen Grundlagen. Innerhalb dieser Leitplanken werden wir uns immer bewegen müssen. Alle Unklarheiten müssen in jedem Fall vor dem Einsatz von KI geklärt werden, sonst kommt KI in unserer Produktion nicht zum Einsatz.
Wie wird sich der Einsatz von KI auf die Arbeit der Drehbuchautoren und Regisseure von „Unter uns“ auswirken?
Guido Reinhardt: Das hängt vor allem von diesem Personenkreis selbst ab, wir prüfen die Tools auf rechtlicher Grundlage und Sinnhaftigkeit und stellen die KI-Tools dann zur Verfügung, mit der Bitte sie zu testen und sie mit uns gemeinsam zu verbessern. Das ist also eine Empfehlung von uns auf Produzentenebene an unser Team und das Team entscheidet dann, wie viel und an welcher Stelle es von den Tools Gebrauch macht.
Könnte KI dazu beitragen, dass die Serie schneller auf aktuelle gesellschaftliche Themen reagiert? Wenn ja, wie?
Guido Reinhardt: Das sehe ich zurzeit nicht, da der Erzählanlass der Serie keine Tagesaktualität notwendig macht.
Interview: RTL
Fotos: RTL/u.a. Stefan Behrens